News Ausstellung „ANSCHLÜSSE“ in der Galerie Hollenstein 14. September 2017

Schlatter Weingartner 2017

Am Freitag eröffnet in der Galerie Hollenstein eine aufwendige Ausstellung der beiden in Berlin lebenden Künstler Sarah Schlatter (geb. 1982 in Feldkirch) und Jakob Weingartner (geb. 1979 in Feldkirch). Die Künstler verbindet der präzise, informierte Blick auf soziale Phänomene. Für die Austellung in Lustenau richtet sich dieser auf zwei durch ein Jahrhundert voneinander getrennte Biografien.

Bisher unbekannte Filmaufnahmen von Stephanie Hollenstein

Der erste Teil der Ausstellung richtet den Fokus auf die Malerin Stephanie Hollenstein, deren Biografie eng mit der Geschichte des Lustenauer Ausstellungsraums verknüpft ist und deren künstlerischer Nachlass auch hier verwahrt wird. Ausgangspunkt für die Auseinandersetzung waren ausführliche und langwierige Recherchen in Hollensteins Tage- und Skizzenbüchern, Dokumenten und Briefen.

Ins Zentrum des ersten Ausstellungsraums setzen Schlatter und Weingartner eine Black Box, einen temporären Kinosaal, in dem drei kurze Stummfilme abgespielt werden. Nach der Herkunft dieser Filme gefragt, schildern die Künstler: „Als wir uns die persönlichen Bücher Hollensteins durchsahen, standen plötzlich diese Filmrollen zwischen den Buchrücken. Sie müssen bei der Archivierung durchgerutscht sein. Als wir den Filmstreifen dann zum ersten Mal gegen das Licht hielten, waren wir fassungslos: Hollenstein wollte 1938 anscheinend tatsächlich einen Film drehen, um Propaganda für den Anschluss an Hitlerdeutschland zu machen! Dieses sensationelle Material zeigt sie von einer unbekannten, persönlichen Seite. Schnell war uns klar, dass wir es als Ausgangspunkt in der Ausstellung platzieren und den BesucherInnen verschiedene Interpretationsmöglichkeiten anbieten würden. Historische Persönlichkeiten wie Hollenstein leben in unserer Interpretation weiter - was belassen wir in der Vergangenheit, was nehmen wir mit?“

Unterschiedliche Zugänge zur Persönlichkeit der Künstlerin

Rundherum installieren Schlatter und Weingartner Fragmente, Reproduktionen und Vergrößerungen teilweise überarbeiteter Archivmaterialien, anhand derer sich die komplexen und teils widerstreitenden Charakterzüge Stephanie Hollensteins nachvollziehen lassen. Während der erste Teil der Ausstellung eine Annäherung an eine historische Person sucht, beschäftigt sich der zweite Teil mit einem Ereignis, das sich in jüngster Vergangenheit in die Geschichte Vorarlbergs eingeschrieben hat.

Gegenwartsbezug zum Amoklauf Nenzing

Im Mai 2016 erschoss der damals 27-jährige Gregor S. nach einem Rockkonzert in Nenzing zwei Menschen und verletzte zwölf weitere, bevor er sich selbst richtete. Die Hintergründe für diese Tat blieben teilweise im Dunkeln: Weder die Herkunft der Waffen konnte geklärt werden, noch gibt es Einigkeit über Auslöser und Motiv. Während zahlreiche Medien die Tat als Beziehungstat kolportierten und so ins Private schoben, betonten andere das Umfeld von Gregor S., der als mehrfach vorbestrafter Rechtsextremer amtlich bekannt war und vor 2013 nachweislich dem Vorarlberger Ableger des internationalen Neonazi-Netzwerks Blood & Honour angehörte. Schlatter und Weingartner recherchierten im privaten Umfeld von Gregor S., sprachen mit JournalistInnen, mit ExpertInnen und mit Angehörigen der Opfer. Entstanden ist eine eindrückliche audiovisuelle Installation, die im großen Ausstellungsraum der Galerie gezeigt wird und sich respektvoll, doch pointiert mit der privaten Trauer der Opfer, dem öffentlichen Trauma und den Grenzen ideologischer Erklärungsmuster für Rechtsextremismus auseinandersetzt.

Audivisuelle Collage

Sarah Schlatter und Jakob Weingartner: „Vordergründig gibt es keine Berührungspunkte zwischen diesen beiden Personen: Hollenstein wurde 1886 geboren, Gregor S. ein Jahrhundert später. Wir kompilieren jedoch eine audiovisuelle Collage mit Zitaten aus dem privaten Archiv Hollensteins und Zitaten aus öffentlich zugänglichen Facebookseiten, die Gregor S. gefielen. Diese verstörende Gegenüberstellung lässt Kontinuitäten und Kontraste sprachlicher und ideologischer Natur hervortreten. Außerdem haben wir mit den Angehörigen eines Opfers von Nenzing eine Sequenz erarbeitet, welche ihren Schmerz und ihre berührende Trauerarbeit dokumentiert.“

Emotional berührend und vielschichtig untersucht die Ausstellung Wirkung und Kontinuitäten von Sprache und Bildern politischer Propaganda: „Wir machen Kunst, keine zeitgeschichtliche Aufarbeitung. Während Zeitgeschichte Objektivität anstreben muss, sollte Kunst mit Haltung immer wieder bereit sein, das Schachbrett der sozialen Repräsentation vom Tisch zu fegen“, so die beiden Künstler abschließend.

Ausstellung „ANSCHLÜSSE“

Ausstellungsdauer: 23. September bis 22. Oktober 2017
Galerie Hollenstein – Kunstraum und Sammlung
Öffnungszeiten während der Laufzeit: Freitag, Samstag, Sonn- und Feiertag 15 bis 19 Uhr

Freitag, 22. September, 18 Uhr
Eröffnung

Begrüßung durch Bürgermeister Kurt Fischer
Zur Ausstellung spricht Peter Niedermair
Präsentation des 16-mm-Filmmaterials durch Schlatter und Weingartner

Sonntag, 24. September, 11 Uhr
Der Amoklauf von Nenzing im Kontext

Diskussion mit Uta Bachmann (Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung), Arno Dalpra (Täterberatung ifS) und Thomas Rammerstorfer (Journalist und Extremismusexperte)
Moderation: Jutta Berger (Der Standard)

Samstag, 7. Oktober, 18 bis 1 Uhr
Lange Nacht der Museen

„Looping Hollenstein“ – Paul Winter (live)
Szenische Interpretation des 16-mm-Stummfilm-Materials
Kurzführungen durch die Ausstellung mit Schlatter und Weingartner

Sonntag, 22. Oktober, 18 Uhr
Finissage mit Ausstellungsgespräch

Schlatter und Weingartner im Gespräch mit Jutta Berger (Der Standard)

Der Eintritt zu den Veranstaltungen ist frei.

Hinweis: Das Kunstprojekt "Anschlüsse" von Sarah Schlatter und Jakob Weingartner beruht auf Recherchen im Historischen Archiv, auf Gesprächen mit ExpertInnen, Journalistinnen und HistorikerInnen. Bei den im ersten Ausstellungsraum gezeigten Filmen und deren Interpretation handelt es sich jedoch um einen künstlerischen Fake.