News Diskussionsreihe „Heute reden wir über…“ 2. April 2013

Freigeist

Mit dem Ziel, hochkarätige ExpertInnen nach Lustenau zu holen und über globale Themen in ansprechendem Rahmen zu diskutieren, veranstaltet Udo Rabensteiner in Zusammenarbeit mit dem Kulturreferat der Marktgemeinde Lustenau eine Diskussionsreihe im „Freigeist“. Der zweite Diskussionsabend, mit dem Titel „Heute reden wir über das schweigende Kind!“, fand letzte Woche statt.

Der österreichische Literaturwissenschafter und Schriftsteller Raoul Schrott lieferte mit seiner gleichnamigen Erzählung den Titel der Diskussion, die sich in erster Linie um das gesetzliche und moralische Recht des Kindes im Scheidungsfalle drehte. Alice Hagen-Canaval, diplomierte Sozialarbeiterin und Sozialbetriebswirtin im SOS-Kinderdorf Vorarlberg, ergänzte als Expertin aus dem ambulanten Familiendienst die Diskussionsrunde. Mit ihren Erfahrungen in den Bereichen "Wandel der Familie", "Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern" und "Erziehungsfragen und Erziehungskompetenz", konnte sie eindrucksvoll aus der Praxis berichten. Den Kreis der Experten rundete Dr. Karlheinz Domig ab. Der Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie informierte über die psychologischen Auswirkungen einer elterlichen Trennung auf Kinder und Jugendliche. Die Moderation übernahm ORF-Redakteurin Dr. Marion Flatz.

Benachteiligte Väter

Raoul Schrott berichtete von einer parlamentarischen Enquete, bei der ihm besonders eine Kennzahl in Erinnerung geblieben sei: Auf einen „erziehungsunwilligen“ Vater kämen 4,5 Väter, die im Trennungsfalle gerne an der Erziehung ihrer Kinder mitwirken würden, denen dies aber verwehrt bleibt. Die Judikatur in Österreich habe zahlreiche bizarre Beispiele parat, die zeigen würden, dass die Rechte der Väter im Scheidungsfalle lediglich theoretischer Natur seien. Viele Väter seien ohnmächtig angesichts der erdrückenden gesetzlichen Lage, die etwa in Skandinavien aufgrund des anderen Familienbildes deutlich freundlicher gegenüber Väter sei.

550 Kinder im SOS Kinderdorf

Alice Hagen-Canaval berichtete, dass im SOS Kinderdorf derzeit 550 Kinder betreut werden, etwa die Hälfte davon von alleinerziehenden Eltern. Dabei gehe es aber nicht nur um Kinder, bei denen sich die Eltern getrennt haben, sondern auch um Kinder, in deren Familie materielle oder psychische Probleme auftreten. Es gebe zudem nach ihrer Erfahrung nur wenige Väter, die vehement für ihr Sorgerecht kämpfen würden. Von den 40 % der Ehen, die geschieden werden, sei der überwiegende Teil nämlich einvernehmlich.

Gespräche mit Eltern

Dr. Karlheinz Domig erklärte, dass der Hauptgrund bei Verhaltensstörungen von Kindern im familiären Hintergrund zu suchen sei. Im sind Fälle bekannt, bei denen die bloße Absichtserklärung des Vaters, die Familie zu verlassen, zu Verhaltungsauffälligkeiten bei den Kindern geführt habe. Er habe als Psychiater aber in 90 % der Fälle durch Gespräche mit den Eltern die vermeintlichen Probleme der Kinder gelöst. Domig abschließend: „Das Kind muss bei jenem Elternteil leben, das den anderen Elternteil im Kind toleriert.“

Kritik an gesetzlicher Situation

In der Diskussion, an der sich auch das Publikum rege beteiligte, wurde vor allem die lange Zeit gegen den Einfluss der Väter auf die Erziehung abzielende gesetzliche Situation kritisiert. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen hätten sich zwar zwischenzeitlich verändert und würden auch schon wirken, aber das vorherrschende Rollenbild in den Familien erschwere rasche Veränderungen. Die Diskussionsreihe wird im Herbst 2013 ihre Fortsetzung finden.