News „Ich bin gerne Pate" 6. April 2017

Patenfamilie - Projekt der Lustenauer Flüchtlingshilfe

Ein erfolgreiches Projekt der Lustenauer Flüchtlingshilfe ist das der Familienpatenschaft. Engagierte LustenauerInnen helfen Familien bei Behördengängen, beim Spracherwerb oder bei ganz normalen Alltagsproblemen. Die Paten schenken Rückhalt, Sicherheit und manchmal auch nur ein Lächeln.

Wir sind zu Gast bei Familie Jouma, es gibt Schwarztee mit Zucker und eine ganz Auswahl an arabischen Kuchen. Gastfreundschaft wird bei syrischen Familien groß geschrieben, auch wenn man nicht viel hat.

Vater Arif ist gelernter Koch, seit fast zwei Jahren ist er in Lustenau und hatte in Aleppo ein eigenes Restaurant mit dazu gehörender Olivenplantage. Hier im Dorf kennt man den Kurden, seine Kochkünste und seine Familie. Arif ist gut integriert, seine Kinder gehen zur Schule und sprechen nach erst einem Jahr in der neuen Heimat alle schon sehr gut Deutsch. Doch aller Anfang war schwer, über den Verlust von Freunden, der Familie und dem Job half vor allem die Lustenauer Flüchtlingshilfe hinweg, das Netzwerk „Dô Sin" und im Besonderen ein Mathematiklehrer mit sozialer Kompetenz.

Helfen ist Sache des Herzens

Erich Härle hat das Ankommen, die Umstellung und das Heimweh erleichtert. Sein Ruf eilt ihm voraus, streng sei er, aber sehr gerecht und schon beim ersten Händeschütteln wird klar, Herr Härle hat das Herz am richtigen Fleck.

Hamida und Adham, die zwei Teenager der Familie kennen und schätzen den Lehrer aus der Schule. Lernen können, das ist für die 16-jährige Tochter der Familie das Schönste in ihrem neuen Leben. In die Schule gehen zu dürfen, etwas, das für unsere Kinder selbstverständlich und manchmal lästig ist, nichts sehnlicher hatte sich Hamida in ihrer zerbombten Heimat gewünscht.

Traurig zeigt der älteste Sohn der Familie, Mohamad, Bilder der verwüsteten Straße, in der die Familie gelebt hatte. Das Wohnhaus ist ein Trümmerhaufen, überall nur Schutt, Asche und Verzweiflung in den Gesichtern der abgebildeten Menschen.

„Das sind grauenhafte und unvorstellbare Zustände", meint Erich und jetzt gerade sind es tröstende Worte, die seiner Patenfamilie weiter helfen. „Gebraucht wird bei jedem Besuch aber etwas Anderes und der Spracherwerb macht vieles leichter", meint Erich. Am Anfang der Patenschaft konnte man sich noch nicht so gut unterhalten, jetzt wird aus den Behördengängen, der organisatorischen Hilfe und der Unterstützung langsam Freundschaft.

Danke Lustenau

Patenfamilie - Projekt der Lustenauer Flüchtlingshilfe Alia Jouma mit ihren Kindern Mohamad und Hamida und Familienpatin Christel Härle.

Die 16-ährige Hamida bringt das auf den Punkt, was allen am Herzen liegt: „Erich und Christel sind gute Menschen." Arif kann sie jederzeit anrufen, wenn er sich irgendwo nicht auskennt, wenn er Probleme mit dem Amtsdeutsch hat oder Abläufe nicht versteht. „Das ist gut, ich fühle mich sicher mit Erich."

Sicherheit hat für Familie Jouma eine ganz besondere Bedeutung. Adham kann hier endlich wieder eine ganze Nacht durchschlafen, obwohl es sehr lange gedauert hat, bis er die Bombennächte in Aleppo vergessen konnte. Mohamad hat vor allem die schrecklichen Besuche der IS oder der Soldaten Assads im Kopf, die mitten in der Nacht in der Wohnung standen, um den 19-Jährigen zu rekrutieren. Doch der Junge wollte kein Soldat sein, nicht töten oder getötet werden. Er wollte einfach nur als Spengler arbeiten und ist Österreich sehr dankbar dafür, dass er hier noch einmal in die Schule gehen kann, abseits von Krieg und Terror, bis er wieder einen Job findet.

Normalität lernen

Viele Gespräche sind es gewesen, die der Familie wieder ein Gefühl von normalem Alltag vermitteln konnten, einen Großteil davon hat Familie Jouma dabei Erich und Christel zu verdanken. „Das ist nichts Großartiges, ich bin schon immer sozial engagiert gewesen", sagt Erich bescheiden, „außerdem ist dieses Projekt auch nicht nur ein Geben, sondern auch ein Nehmen."

Sich auf eine neue Kultur einlassen, sich auszutauschen und Neues kennen zu lernen, das „hat einen ganz besonderen Reiz und hält fit", so der 54-Jährige lachend. Außerdem machen Besuche bei den Joumas glücklich, nicht nur wegen der Herzlichkeit, sondern auch wegen der Einsicht, hier im Paradies zu leben und alles zu haben. 

Wohnungssuche

Neben allem Menschlichen gilt es heute auch Dringendes zu klären. Familie Jouma ist auf Wohnungssuche und Erich hilft seit Monaten dabei. Während die Männer Termine ausmachen und das nächste Treffen organisieren, lädt Christel die Frauen der Familie zu einem gemeinsamen Nachmittag ein. Was genau man mache, ist noch nicht fix, sicher werde man aber wieder Spaß haben, erzählt sie von gemeinsamen Ausflügen.

Und zum ersten Mal an diesem Abend huscht auch ein Lächeln über Alias Gesicht. Man kann nur erahnen, was die Mutter der Familie alles gesehen hat und ist sehr froh, dass es Menschen wie Erich Härle und seine Frau Christel gibt.