News Radwerkstatt - Mechaniker mit Herz 3. Mai 2016

Radwerkstatt unterstützt Flüchtlinge

Sie sind ein geniales Trio, ein Einzelhandelskaufmann, ein Ingenieur und ein Lehrer. Alle im Ruhestand und mit der Motivation, Flüchtlinge mobil zu machen. Die ehrenamtliche Radwerkstatt in der Rathausstraße ist ein Projekt mit viel Engagement und noch mehr helfenden Händen.

Erich Wüstner fällt auf. Sein Schnauzer ist genau so unkonventionell wie seine Einstellung zum Ende des Berufslebens. „Meine Frau kenne ich schon seit Jahrzehnten, die ist ganz froh, wenn ich etwas zu tun habe“, meint der Wälder, der das Gefühl hat, anderen Menschen etwas zurückgeben zu müssen.

Er ist Chef der Radwerkstatt, die vom „Netzwerk für Flüchtlinge in Lustenau“ betrieben wird. Vor Jahren hat eine Organspende sein Leben gerettet, jetzt will er helfen, wo er kann. Ein ganzes Leben lang war Erich ehrenamtlich tätig, aber erst nach seiner schweren Krankheit weiß er, was wirklich zählt, Gesundheit und Glück. „Das klingt vielleicht komisch, aber da ist man ziemlich geerdet und muss nicht mehr darüber nachdenken, was wirklich wichtig ist.“ Zumindest einmal in der Woche dreht sich heute in Erichs Leben alles um den Drahtesel.

Radeln verbindet

Freiwillige helfen in der Radwerkstatt Gute Laune, viel Herzlichkeit und dreckige Hände schweißen das Team der Radwerkstatt zusammen.

Der Pensionist ist Chef von Speichen, Naben und Sätteln sowie Mittelpunkt eines Teams, das aus lauter ambitionierten Hobbymechanikern besteht. Eines haben alle gemeinsam: Graue Haare, schwarze Hände und viel Humor, was Ex-Lehrer Markus Hämmerle mit einem Grinsen auf den Punkt bringt: „Ich bin hier Edelhilfsarbeiter, Lothar Kurzemann ist unser Techniker und Erich organisiert alles.“ Und das ist beileibe nicht wenig.

Jeden Donnerstagnachmittag stehen viele zukünftige Radbesitzer aus unterschiedlichen Ländern vor der Tür der Radwerkstatt. Doch niemand holt hier einfach nur etwas ab, viele Flüchtlinge helfen gerne und sind froh über eine Beschäftigung. „Das ist auch gut so“, erklärt Erich, der in der Radwerkstatt nach dem Motto „Hilfe zur Selbsthilfe“ arbeiten möchte. Bei vielen Reparaturen wird neben Tipps und Tricks auch Material zur Verfügung gestellt, die Flüchtlinge können so ihr handwerkliches Geschick verbessern und weiter entwickeln. Das stärkt das Selbstvertrauen und hilft auch beim Erlernen der neuen Sprache. „Wir versuchen immer schönes Deutsch zu sprechen“, lacht der Lehrer des Teams, der auch bei den ehrenamtlichen Deutschkursen engagiert ist.

Treffpunkt Radwerkstatt

In Erichs Reich trifft man sowohl alteingesessene Lustenauer als auch neue Einwohner unserer Marktgemeinde. Ein einheimischer Familienvater, der ein Laufrad aus Holz samt Schaukelpferd abgibt, erklärt, warum er den Weg in die Werkstatt gefunden hat. Seine Kinder seien zu groß geworden und man helfe schließlich gerne. Erich freut sich über Menschen wie ihn und die älteste Sachspenderin, eine über hundertjährige Dame, die sich erst kürzlich von ihrem fahrbaren Untersatz verabschiedet hat.

Der ehemalige Kaufmann nimmt alles, was er kriegen kann und schlachtet auch noch das schlechteste Rad aus. „Weggeworfen wird bei uns fast nichts, wir recyceln nachhaltig.“ Die meisten abgegebenen Räder sind aber in ziemlich gutem Zustand, was meistens fehlt, sind Licht und Schloss und manchmal „zwickt’s halt irgendwo“.

Räder sind Mangelware

Der 14jährige Bilal aus Syrien ist froh darüber, dass hier alles wiederverwertet wird. Er erkundigt sich höflich und schüchtern bei Erich, ob er vielleicht ein Fahrrad für ihn hätte. Das sind die Momente, die alle im Team weniger gerne mögen, denn die Nachfrage ist immer größer als das Angebot.

Schade, denn es gehe nichts über glückliche Kinderaugen. „Heute leider nicht, junger Mann, aber probier’s nächste Woche wieder“, vertröstet Erich den Teenager und klopft ihm freundschaftlich auf die Schultern. Die meisten Räder kommen vom Fundamt oder werden gespendet.

Das technische Knowhow kam vor allem am Anfang von Marc Bösch von 2Rad-Holly, der auch schon Material und Räder gespendet hat. „Wir Lustenauer helfen einander“, das sei schon etwas, auf das man richtig stolz sein könne, meint Erich. Mittlerweile hat man ganz gut in den „neuen“ Job gefunden.

Alle Teammitglieder lieben den Kontakt zu den unterschiedlichsten Menschen, sind Meister im Improvisieren geworden und empfehlen das Ehrenamt wärmstens. „Wir können übrigens immer helfende Hände gebrauchen, aber noch dringender Fahrräder“, verabschiedet sich Erich, der einem kleinen Jungen aufs Rad helfen muss.

Radwerkstatt

Öffnungszeiten 
Donnerstag, 15.00 - 19.00
Ansprechpartner: Erich Wüstner
T +43 650 7928002