News Archivgespräch über Holocausttäter aus Lustenau 21. November 2019

Werner groß

Am Montag, 11. November referierte Werner Bundschuh über den aus Lustenau stammenden Josef Hämmerle, der, wie es der Vortragende zuspitzte, als „Buchhalter des Todes“ in der Gettoverwaltung in Lodz in leitender Position unmittelbar am Holocaust beteiligt war.

Großes Interesse an der Zeitgeschichte

Besucherinnen und Werner fertig Über hundert Besucherinnen und Besucher verfolgten den interessanten Vortrag.

Über hundert Besucherinnen und Besucher fanden sich ein, um sich ein Bild von den neuesten Forschungsergebnissen des langjährigen Obmanns der Johann-August-Malin-Gesellschaft zu machen. Dieser berichtete von seinen Recherchen im Landesarchiv Nordrhein-Westfalen in Münster und davon, welch große Bestände an Prozessakten aus längst vergangen Jahrzehnten er sichten musste, um zu neuen Erkenntnissen zu gelangen: Josef Hämmerle (geb. 13.3.1905) führte vor seiner Übersiedelung nach Lodz ein recht unstetes Leben in der Schweiz und kam im Rahmen dubioser Geschäfte öfters mit dem Gesetz in Konflikt. Nach der Eroberung Polens durch das Deutsche Reich, nahm er dann als Leiter der Buchhaltung in der NS-Verwaltung des Gettos Lodz (Litzmannstadt) eine wichtige Funktion bei der jahrelangen Ausbeutung und späteren Ermordung der dort gefangen gehaltenen Juden ein. Zeitweise war er auch als Stellvertreter des Leiters der Gettoverwaltung Hans Biebow tätig.

Getto Lodz als Stätte des Massenmords

Lodz-A232_klein_Or Im Getto Lodz herrschten katastrophale Zustände. Die Arbeitskraft der Menschen wurde brutal ausgebeutet und viele verhungerten.

Werner Bundschuh verdeutlichte in seinem Vortrag, wie katastrophal die Versorgungslage der über 160.000 jüdischen Menschen war, die in Lodz auf engstem Raum „konzentriert“ wurden und in den dort eingerichteten Betrieben Rüstungsgüter fertigen mussten. Bis Kriegsende wurden so gut wie alle Gettobewohner im Vernichtungslager Chelmno (Kulmhof), später auch in Auschwitz, ermordet. Nach der „Auflösung“ des Gettos im Sommer 1944 wurde Josef Hämmerle zur Wehrmacht eingezogen und kam nach Kriegsende im Mai 1945 für drei Monate zurück nach Lustenau. In der Folge verzog er nach Kennelbach, wechselte noch öfters seinen Wohnort innerhalb Vorarlbergs und verstarb 1972 in Bregenz.

Lasche Verfolgung der Täter

Lodz-A030 klein Die Aufnahme, die Josef Hämmerle an seinem Schreibtisch zeigt, stammt aus einer Bilderserie, welche die NS-Gettoverwaltung in Lodz für die offizielle Dokumentation der Geschichte des Gettos aufnahm.

Die 1957 bei der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg aufgenommenen Ermittlungen gegen Josef Hämmerle verliefen ebenso im Nichts wie die später von der Staatsanwaltschaft Dortmund angestrebten Erhebungen. Werner Bundschuh stellte in diesem Zusammenhang fest, dass die deutschen Strafverfolgungsbehörden Josef Hämmerle wohl nicht finden konnten oder wollten. Daneben ging der Referent auch auf weitere Holocausttäter aus Vorarlberg, wie etwa Irmfried Eberl (Kommandant Vernichtungslager Treblinka), Josef Vallaster (Tötungsanstalt Hartheim und Vernichtungslager Sobibor) und Alfred Lusser (Getto Jedrzejow) ein, und kritisierte die lasche Verfolgung derartiger Täter in Österreich ebenso wie das oftmals unangemessen niedere Strafausmaß bei allfälligen Verurteilungen.