News Ein Stück vom Paradies 18. September 2025

Der Boden der Schrebergärten am Alten Rhein ist besonders fruchtbar – ein Geschenk des Rheins, der über Jahrhunderte hinweg wertvolles Schwemmland zurückgelassen hat. Was hier in wächst, gedeiht. Der Ort strahlt eine Ruhe aus, wie man sie nur selten findet.

_MG_0786 Familie Agic genießt ihr kleines Paradies am Alten Rhein.

Wir besuchen den Garten von Karin. In der Abendsonne strahlen die Dahlien, im Gemüsegarten reihen sich Kartoffeln, Karotten, Bohnen, Kraut, Romanesco und Fenchel. Dahinter eröffnet sich ein Meer aus Kräutern: Oregano, Salbei, Thymian, Minzen, Maggikraut, Lavendel, Johanniskraut, Zitronenverbene und viele mehr – ein Fest für Bienen, Hummeln und Schmetterlinge. Zwischen den Stauden ranken Trauben, Himbeeren leuchten hervor, und eine Hibiskusblüte entfaltet für einen Tag ihr kurzes Feuerwerk. „Wir haben Glück, sie blüht nur einmal“, freut sich Karin.

_O1A1905 Kräuter, Beeren, Trauben, Stauden und Gemüse: In Karins buntem Garten wächst und gedeiht es.

Schon ihre Eltern hatten den Garten gepachtet, heute führt sie ihn mit Hingabe weiter. Als Kind musste sie auch manches Mal mithelfen – „nicht immer zur Freude“, lacht sie. Geblieben ist die Verbundenheit zur Natur und ihren Kreisläufen. Vieles hat sie von ihrer Mutter gelernt, anderes mit Leidenschaft selbst ergründet. „Der Storchenschnabel ist gut gegen Mückenstiche“, erklärt sie im Vorbeigehen. Ihre Kräuter trocknet Karin im Gartenhaus, nutzt sie als Tee, Gewürz oder Hausmittel. Und auch über ihren Garten hinaus teilt sie im Kräutergarten im Schützengarten ihr Wissen mit anderen.

Mit derselben Leidenschaft bewirtschaftet Familie Agic ihren Garten. Auf 300 Quadratmetern wachsen Kartoffeln, Bohnen,
Mais, Paprika, Chili, Erdbeeren, Himbeeren, Tomaten und vieles mehr. „Das ist Bellinda, eine unserer Lieblingssorten“, sagt
Sanela, während sie mit ihrem Mann Fikret und dessen Vater Himzo die ersten Kartoffeln erntet. Für den Vater, der aus Bosnien stammt, ist der Garten ein Stück Heimat. Auch die Schwiegereltern helfen mit.

„Ein Familienprojekt“, lacht Fikret, bevor er innehält: „Unsere Mama hätte immer gerne eine Hütte gehabt. Leider konnte sie sie nur noch auf Fotos sehen.“ Es war klar, dass er den Garten weiterführt, wenn es dem Vater allein zu viel wird. „So eine Chance bekommt man nicht oft im Leben“, sagt er ernst – und man spürt, wie bewusst sich die Familie dieses Glücks ist.

Seit etlichen Jahren konnte niemand von der langen Warteliste nachrücken. Die Nachfrage ist groß, vor allem bei Menschen, die in Wohnanlagen ohne Balkon oder Garten leben. „Wir genießen unser kleines Paradies. Die Kinder brauchen nur sich und die Natur und abends sind sie müde und zufrieden“, freut sich Sanela.

Kaum ein Schrebergarten hierzulande liegt so idyllisch wie hier am Alten Rhein. Rund 100 Gärten reihen sich aneinander. Was die wenigsten wissen: Die meisten Hütten wurden vor Jahrzehnten ohne Bewilligung errichtet und stehen zum Teil über der Grundstücksgrenze auf öffentlichem Wassergut im Eigentum der Republik Österreich, das von der Rheinregulierung verwaltet wird. Diese Flächen sind aus Gründen der Hochwassersicherheit und Rechtslage besonders geschützt – wie ein Uferstreifen, den man nicht einfach bebauen darf. Ein Erbe, das es ins Heute zu führen gilt: Immer dann, wenn ein Garten neu vergeben wird oder eine Pächterin oder ein Pächter zustimmt, wird die alte Hütte abgetragen und durch eine neue ersetzt. Diese steht dann vollständig auf dem Schrebergartengrundstück der Gemeinde –
und damit auf rechtlich sicherem Boden.

Nicht allen fällt dieser Schritt leicht, doch er ist notwendig. Die Höhe der Pacht richtet sich nach der Größe des Gartens – für 650 Quadratmeter mit Hütte liegt sie derzeit bei 42 Euro im Monat, kleinere Gärten kosten entsprechend weniger „Wir gehen die Umstellung behutsam an. Niemand soll gedrängt werden, aber die Verantwortung für dieses Juwel tragen wir gemeinsam“, sagt Bürgermeister Patrick Wiedl. So kommt mit einem neuen Pachtvertrag auch eine neue Hütte.

Für Karin und die Familie Agic überwiegt die Freude: Die neuen Hütten sind kompakt, stabil und bieten genügend Platz – sogar für die „Stiegla“. Doch die Seele des Gartens liegt nicht in der Hütte. Vielmehr dort, wo das Bänkli im Abendlicht zum Lieblingsplatz wird. Auch die Agics lassen den Tag am liebsten hier ausklingen. „Abends grillen wir ein paar Würstchen in der Feuerschale und sitzen zusammen“, erzählt Fikret. Und wer weiß: Vielleicht sitzen vor der Hütte eines Tages wieder Generationen beisammen. Doch das ist ein neuer Jahresring und wächst weiter, wie alles hier am Alten Rhein.