News Jede Blüte zählt! 15. Juli 2020

Jede Blüte zählt … aber die Masse macht ‘s - Bio-Imker Bernd Schneider über das, was Bienen wirklich brauchen
Bernd Schneider klärt auf
Dass es Bienen, allgemein Insekten, in unseren Gärten und Feldern nicht gerade leicht haben, dürfte bekannt sein: Pestizide, schwindende Lebensräume und Schädlinge setzen den Nektarsammlerinnen, ob Honig- oder Wildbienen, zu. Viele GartenbesitzerInnen wollen Bienen unterstützen. Aber welche Maßnahmen helfen wirklich? Der Lustenauer Bio-Imker Bernd Schneider klärt auf.
Imker von Kindesbeinen an
Rund 250 Honigbienenvölker gibt es in Lustenau, jedes Volk wächst im Laufe des Jahres von rund 5.000 auf bis zu 40.000 Individuen an. 25 dieser Völker fliegen aus, um Bernd Schneiders Bio-Honig zu produzieren, den er über Bio-Läden und das BOTTA vertreibt. Der Lustenauer kennt die Imkerei von Kindesbeinen an, eigene Bienen hält er seit 2008. Über den Herbst und Winter sowie im Frühjahr summen Bernd Schneiders Honigbienen in seiner Heimatgemeinde, danach zieht er mit ihnen auf 800 Meter Höhe nach Sulzberg. „Wenn in Lustenau die Obstbäume, die innerorts immer weniger werden, und der Löwenzahn verblüht sind, finden die Bienen in unserer Gegend kaum mehr genügend Futter. Spätestens nach der ersten Mahd bleibt auf den Wiesen oft nur noch eine Graswüste“, bedauert Bernd Schneider.
300.000 Blüten für ein Kilo Honig

Für ein Kilogramm Honig müssen die Bienen rund 300.000 Löwenzahnblüten anfliegen – kein Wunder, dass die Insekten als fleißig gelten. Diese große Zahl an Flügen verdeutlicht, dass unsere viel zu aufgeräumten Gärten für die Bienen längst kein ausreichendes Angebot zur Verfügung stellen, auch wenn man bienenfreundliche Pflanzen in seine Rabatten und Staudenbeete setzt. „Man kann nicht sagen, dass das nichts nützt, denn jede Blüte, die Nahrung für Insekten bietet, zählt. Aber die Honigbienen brauchen eben eine Massentracht, also ergiebige Nahrungsquellen, die sie dann bevorzugt anfliegen“, sagt Bernd Schneider, der unter anderem Trachtwart des Lustenauer Bienenzüchtervereins ist. Unter „Tracht“ versteht der Imker das gesamte Angebot an Nektar, Pollen und Honigtau, das die Bienen aus bis zu drei Kilometern Entfernung in ihren Stock tragen.
Buffet und Unterkunft
Das soll aber nun bienenfreundliche HobbygärtnerInnen nicht entmutigen, da auch Wildbienen, die nur einen Flugradius von wenigen hundert Metern haben, und andere Insekten sowie Vögel sehr von blühenden und gerne etwas „unaufgeräumten“ Gärten profitieren. Besonders wertvoll sind Pflanzen, deren Knospen dann aufgehen, wenn die große Frühlingsblüte im Mai und Juni vorüber ist. Sonnenhut, Fetthenne und Astern blühen beispielsweise im Sommer und Herbst und werden dann gut besucht von hungrigen Insekten. Allerdings sollte sichergestellt sein, dass im Garten ein Blühangebot durch die ganze warme Jahreszeit hindurch gewährleistet ist. Ein Nützlingshotel wird dann gerne angenommen. Denn es ist bei Bienen, wie bei Menschen: „Ein tolles Hotel allein reicht eben nicht, wenn die Verpflegung schlecht ist“, macht Bernd Schneider klar. Bei HobbygärtnerInnen gefragt wäre zudem Mut zur Faulheit, denn ein liegengelassener Haufen Steine, altes Holz und Strauchschnitt bietet Krabblern und Summern Unterschlupf und Kinderstube. Das Rasenmähen könnte öfter mal ausfallen, auch der Verzicht auf Spritzmittel hilft. „Für beides gilt: Je weniger, desto besser“, sagt Bernd Schneider.
Pflanzt Nektarbäume!
Was kann man sonst noch tun? Bernd Schneider richtet seinen Appell nicht nur an GartenbesitzerInnen, auch an LandschaftsplanerInnen, GärtnerInnen und kommunale Verantwortliche: „Wir sollten mehr Bäume setzen, und zwar solche, die den Bienen etwas nützen. Denn auch Bäume blühen und viele davon sind eine gute Nahrungsquelle für Bienen und andere Insekten. Hier fehlt es noch immer an Bewusstsein und Wissen.“ Der Lustenauer Imker kann aus dem Stegreif eine Reihe an kommunalen Baumpflanzungen im Rheintal aufzählen, die zwar hübsch aussehen und aus Sicht des Gärtners pflegeleicht sind, aber kaum geeignet sind, Insekten als Nahrung zu dienen. „Verpasste Gelegenheiten“, findet Bernd Schneider. Besser wären aus Facettenaugen Weiden, verschiedene Ahornsorten, Maroni, Kastanien und vor allem Linden. „Wenn man zum Beispiel in Alleen Sommer-, Winter- und Silberlinden pflanzen würde, die jeweils um ein, zwei Wochen versetzt blühen, schafft man ein Angebot für Insekten in einer Zeit, in der Futter sonst knapp ist“, erklärt Bernd Schneider. Selbst dann ist nicht gewährleistet, dass die Bienen keinen Hunger leiden. Denn das Nektarangebot von Bäumen ist von vielen Faktoren abhängig, etwa der Witterung. Dass es hier Unterschiede gibt, weiß Bernd Schneider durch seine Stockwaage. Anhand dieser kann er feststellen, ob und wie viel in den Stock eingebracht wurde, ohne die Bienen stören zu müssen.
Blüte ist nicht gleich Blüte
Dasselbe gilt für Hausgärten. „Allein dass dort etwas blüht, bedeutet nicht automatisch, dass Futter für die Bienen da ist. Viele wissen nicht, dass manche Blüten für Bienen kaum verwendbar sind“, erklärt der Bienenzüchter. Viele Gartenpflanzen werden mit dem Ziel einer möglichst schönen Optik gezüchtet. Ob ihre Blüten Nektar enthalten, ist zweitrangig. Das Innere der Blüten ist oft aufgrund der Form oder Beschaffenheit, zum Beispiel wenn die Blüten gefüllt sind, für die kurzen Rüssel der Insekten nicht zu erreichen. Gerade Wildbienen sind oft auf bestimmte Nahrungsquellen spezialisiert. Manche Hummelarten umgehen diese Hindernisse, indem sie mit ihren starken Werkzeugen langkelchige Blüten einfach am Ansatz aufzwicken, um an den Nektar zu kommen, wovon dann auch andere Insekten profitieren.
Kein leichtes Leben
Nach der Zukunft der Bienen gefragt, wird Bernd Schneider nachdenklich. „Die Varroamilbe ist immer ein Thema“, sagt er und meint damit den eingeschleppten Parasiten, der zu den größten Bedrohungen für die heimische Honigbiene geworden ist. Wenig Freude haben die Lustenauer ImkerInnen zudem mit dem häufigen Mähen und dem Maisanbau, der allzu oft mit entsprechendem Pestizideinsatz verbunden ist, Und dann ist da noch das Auftreten des Beutenkäfers. Dieser neue, parasitäre Schädling, der durch Warenverkehr und Klimawandel begünstigt eingewandert ist, kann ein Bienenvolk binnen kurzer Zeit zerstören. Während sich afrikanische Honigbienen gegen den Käfer aktiv zur Wehr setzen, haben das die heimischen Bienenvölker noch nicht gelernt. „Das wird eine Herausforderung für die Bienen und für uns ImkerInnen“, meint Bernd Schneider, der sich über das steigende Interesse in der Bevölkerung an der Imkerei freut. Nachwuchssorgen hat das Bienenhalten darum nicht. „Es sollte einem aber schon bewusst sein, dass Imkern Arbeit bedeutet. Das wird oft unterschätzt. Wie jedes andere Nutztier hat die Biene Bedürfnisse, die zu beachten sind“, betont Bernd Schneider an die Adresse angehender JungimkerInnen.
Kontakt
Bernd Schneider
Negrellistraße 24a
6890 Lustenau
+43 680 238 56 19