News Lustenau und die Firma Wild – eine wechselvolle Geschichte 9. Dezember 2021
Anfang der 1920er-Jahre begann der Schweizer Heinrich Wild, finanziert von der Balgacher Familie Schmidheiny, optische Präzisionsgeräte herzustellen. Da die hierfür benötigten deutschen Fachkräfte, größtenteils aus dem thüringischen Jena kommend, in der Schweiz keine Arbeitserlaubnis erhielten, wurde in den ersten Jahren ein bedeutender Teil der Produktion in Lustenau gefertigt.

Anfang eines Weltkonzerns am Widum-Wäogli


© Foto Nipp
In Folge des „Anschlusses“ an das Deutsche Reich wurde die Zweigstelle der Firma Wild, die mittlerweile zu einem der größten Arbeitgeber der Gemeinde angewachsen war, aufgelassen. Für die Lustenauer Beschäftigten war der nun von staatlicher Seite forcierte Rückzug der Firma in die benachbarte Schweiz mit schweren Sorgen um ihre Arbeitsplätze verbunden. Der Standort wurde dann letztlich von der Münchner Firma „C.A. Steinheil und Söhne“ übernommen, um dort kriegswichtige optische Geräte zu fertigen.
Übersichtspläne des Areals Blumenau


Jubiläum Hundert Jahre Firma Wild

Nach dem Zweiten Weltkrieg etablierte sich nach einem längeren Rechtsstreit, in dem es um Rückerstattungen wegen der zuvor erfolgten „Vertreibung“ der Firma ging, Mitte der 1950er-Jahre erneut ein Zweigbetrieb der Firma Wild an deren altem Standort in der Blumenaustraße. Hier produzierte die Firma Wild nun bis Anfang der 1970er-Jahre Reißzeuge, d. h. Zeichengeräte für technische Zeichnungen.
Die hohe Qualität der ursprünglich produzierten Vermessungsgeräte und eine sich ständig erweiternde Produktpalette ließen die Firma in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg stark wachsen. So beschäftigte die Firma 1957 standortübergreifend bereits rund 2.000 Mitarbeiter:innen. Auch nach der Schließung der Produktion in Lustenau waren weiterhin Lustenauerinnen und Lustenauer als Grenzgänger bei der Firma Wild beschäftigt. Nach weiterem stetigen, auch internationalen Wachstum, diversen Fusionen und Konzernumstrukturierungen trägt die in Heerbrugg beheimatete Firma nun den Namen „Leica Geosystems“ und feiert heuer das 100-Jahr-Jubiläum.
Enge Verbindungen zu Lustenau
Der Heimatdichter Hannes Grabher, er stand seit den 1920er-Jahren als Buchhalter bei der Familie Schmidheiny in Diensten, konnte den Aufstieg des Unternehmens im Laufe seines Arbeitslebens aus nächster Nähe beobachten. Und auch die Geschichte eines wichtigen Lustenauer Betriebs ist eng mit der Firma Wild verbunden. Walter Bösch, welcher wohl der erste Lehrling der Firma war, gründete später die bedeutende Lustenauer Firma „Heiz-Bösch“ bzw. „Walter Bösch GmbH & Co KG“, welche heute die größte private Arbeitgeberin in unserer Gemeinde ist. Ein Artikel in einer Ausgabe der Mitarbeiter-Zeitschrift des optischen Konzerns geht auf diese Tatsache und den weiteren Werdegang des „Lehrling[s] Nr. 1 der Firma Wild“ ein:
„Als er am 1. August 1921 in die Lehre eintrat, betrug der Personalbestand 30 Personen. Nach Abschluss seiner Lehrzeit, im Jahre 1924, begann er auf Anraten von Herrn Heinrich Wild sein Studium auf dem Polytechnikum in Arnstatt. Im Jahre 1927 trat er als frisch gebackener Maschineningenieur wiederum in die Firma Wild ein, wo er als Konstrukteur seine erworbenen Kenntnisse in die Praxis umsetzte. […] Da in ihm noch andere Talente schlummerten, zog es ihn immer mehr in die kaufmännische Richtung. Im Jahre 1932 sattelte er dann um und begann sein neues Arbeitsgebiet, indem er von Baumeister zu Baumeister pilgerte und die Nivellierinstrumente N-1 verkaufte. Bald nahm Herr Bösch noch Geräte der Elektro-Industrie in sein Verkaufsprogramm auf, und mit der Zeit verlegte er sich komplett auf dieses Gebiet. Heute ist die Firma Walter Bösch ein Begriff weit über Vorarlberg hinaus, doch für uns ist und bleibt er der Lehrling Nr. 1.“