News Ortsbildliche Qualitäten erkennen und bewerten 26. Juni 2025
Im dritten Beitrag zum Ortsbildinventar Lustenau, das aktuell von der ARGE Salzmann-Hämmerle in Abstimmung mit den zuständigen Sachverständigen des Bauamts sowie den politischen Entscheidungsträgern der Marktgemeinde Lustenau erarbeitet wird, erhalten Sie Einblick in die Auswahl und die Beurteilungskriterien maßgeblicher Bauten im Lustenauer Siedlungsgebiet.

©Lukas Hämmerle/Thomas Holzer
Alt und bewährt
Eine Vielzahl der in Feldarbeit und Literatursichtung ermittelten Häuser, die aktuell noch mit Vorbehalt Eingang in die Liste des Ortsbildinventars fanden, sind solche, die seit mehr als hundert Jahren stehen. Selbst nach zwei Weltkriegen zeigte sich das Bild der Gemeinde am Rhein fast unbeschadet. Viele dieser Häuser sind noch erstaunlich gut erhalten und gepflegt, etliche davon sind schon einer neuen Nutzung zugeführt. Andere bedeutende Häuser wiederum stehen leer und harren der Dinge, warten auf neue Eigentümerinnen und Eigentümer, die sie hoffentlich wieder mit Leben füllen.
Eines davon ist das kleine, besondere Wohnhaus am Ende der Maria-Theresien-Straße. Bei der fachbezogenen Feldarbeit, beim Abgehen und Sichten dieser Hauptachse, zieht der geschindelte Holzständerbau auf gemauertem Sockel die Aufmerksamkeit auf sich. Das Bauwerk ist im Lustenauer Ortsbild exemplarisch und eigen zugleich, zudem steht ein Eigentümerwechsel im Raum. Es bietet sich an, das Objekt als Fallbeispiel für einen Test der erstellten Bewertungsmatrix heranzuziehen.
Die grundlegende Einstufung eines Bauwerks erfolgt anhand von fünf Kriterien – ist es von ortsbildprägender, historischer, architektonischer oder kultureller Bedeutung und ist seine Umgebung charakteristisch? Die Klassifizierung erfolgt in den Kategorien „herausragende“, „hohe“, „gewisse“ und „ohne besondere“ Qualität. Die einfache tabellarische Auflistung schafft rasche Übersicht, die ausführlichere textliche Erläuterung zum Gebäude liefert die eigentliche Grundlage der Handlungsempfehlungen.
Wie schon in vorangegangen Beiträgen erläutert, gibt es mehrere Betrachtungsebenen bedeutender Gebäude im Siedlungsraum. Ihre Wirkung kann anhand des Objekts selbst, der Einbettung in ein Ensemble oder eines Straßenzugs evaluiert werden.
Einzelobjekt

©Marina Hämmerle
Das Objekt Maria-Theresien-Straße 100 ist im Dehio, dem Nachschlagwerk bedeutender Kunst- und Architekturdenkmäler im deutschsprachigen Raum, in der Regionalausgabe auf Seite 305, folgendermaßen beschrieben: „Wohnhaus, erb. 1901, geschindelt, reiche Zwerch-Giebelgestaltung“. Prägend sind die Kreuzgiebeldachform (Lustenau-typisch), die reich verzierten, gesägten Holzkonstruktionen und Faschen (Eingangsbereich, Dach, Fenstereinfassungen). An der Westfassade wurde später ein eingeschossiger Geräteschuppen mit Pultdach errichtet. Lediglich die Fenster scheinen nicht original. Der südlich vorgelagerte Garten und die Gartenmauer sind ebenfalls noch erhalten. Der ehemals wahrscheinlich schmiedeeiserne Zaun wurde in der Nachkriegszeit durch einen Jägerzaun ersetzt. Das Gebäude ist mehrheitlich noch original erhalten.
Ensemble
Das Haus befindet sich im Umfeld des Zentrums Rheindorf und ist Teil der Siedlungsentwicklung entlang der Maria-Theresien- Straße, die Ende des 19. Jahrhunderts rasch voranschritt.Das Haus ist klein und kompakt, besticht jedoch im Straßenbild durch seinen aufwendig gestalteten Portikus – den überdachten Zugangsbereich, seine besondere Dachform und die Einbettung in die Abfolge der Häuser Maria-Theresien-Straße 98b und 94. Die beiden südseitigen Nachbargrundstücke weisen beträchtlichen Baumbestand auf. Das Haus Nr. 94 – im kollektiven Gedächtnis über Jahrzehnte als Praxis Dr. Hämmerle senior/ junior abgespeichert – verfügt zudem über einen imposanten historischen Stadel. Alle drei Grundstücke verbindet die Art der gemauerten Einfriedung mit schmiedeeisernem Aufsatz (abgesehen vom Jägerzaun bei Maria-Theresien-Straße 100). Insgesamt bildet diese Häuserzeile bis zur Amann-Fitz-Straße eine harmonische Abfolge an gut erhaltenen historischen Häusern, abweichend in Bautypologie und Größenordnung.

©Marina Hämmerle

©Foto Marina Hämmerle
Stadtraum
Die Achse Kaiser-Franz-Josef-Straße und Maria-Theresien-Straße ist einer der prägendsten Straßenzüge in Lustenau. Sie bildet einen Querschnitt an Architektur und Gartengestaltung, der vor allem den städtebaulich-architektonischen Ausdruck der Textilindustrie repräsentiert, der Ende des 19. Jahrhunderts aufkam. Trotz mittlerweile vielgestaltiger Bebauung entlang dieses wichtigen Straßenzugs, überwiegt die Anmutung und Bedeutung der historischen Bauten, zu denen auch das Wohnhaus mit Garten an der Maria-Theresien-Straße 100 zählt. Diesen Charakter gilt es zu erhalten und unter Rücksichtnahme auf das baukulturelle Erbe weiterzuentwickeln.
Spaziergang "Om d' Hüüsr"
Welche Empfehlungen dem Bauamt im Zuge der Evaluierung des Hauses Maria-Theresien-Straße 100 übermittelt wurden und was es sonst noch im Umfeld zu bestaunen gibt, erfahren Sie aus erster Hand beim kommenden
Spaziergang durch Lustenaus Baugeschichte „Om d’ Hüüsr“ am 27. Juni 2025.
Start: 16.30 Uhr, beim Vorplatz Rheincenter.
Dauer: 1,5 h, Route: Kapellenstraße – Maria-Theresien-Straße – Rheindorferstraße.
Anschließend Ausklang in der Villa Maria-Theresien-Straße 75, der neuen Schulkindbetreuung.