News Rathausarchitektur im Fokus der Betrachtung 6. Juni 2014

Rathaus Architektur

Von außen kennen es alle Lustenauerinnen und Lustenauer, drinnen waren die meisten von ihnen. Als Architekturjuwel wahrgenommen haben es wohl die wenigsten: Das Rathaus Lustenau wurde 1955 von Vorarlbergs erster Architektin, Adelheid Gnaiger, in einer Arbeitsgemeinschaft geplant. In Anerkennung ihres Werks und der Architektur der Nachkriegsmoderne wurde das Haus samt Erweiterungsbau 2012 unter Denkmalschutz gestellt.

Nun würdigt eine gerade erschienene Publikation erneut das Leben und Schaffen der bedeutenden Architektin und Pionierin. In der Publikation „Adelheid Gnaiger 1916-1991. Die erste Architektin Vorarlbergs“ hat Architekturhistorikerin Holzschuh mithilfe von Tochter Jutta Gnaiger-Rathmanner den Nachlass der Feldkircher Architektin aufgearbeitet. Die Dokumentation über die außergewöhnliche Frau und Architektin wurde bewusst und ausschließlich von Frauen verfasst und gestaltet, wie Ingrid Holzschuh bei der Präsentation des Bandes im Lustenauer Rathaus betonte.

Wachsende öffentliche Wahrnehmung

Rathaus Architektur Architekturpublizistin und Historikerin Ingrid Holzschuh sprach auf Einladung der Markgemeinde Lustenau über das Leben und Schaffen Adelheid Gnaigers und die Bedeutung von Gebäuden und Ensembles der Vorarlberger Moderne.

Vorarlbergs Architektur der Gegenwart ist international anerkannt, Bauten aus den 1950ern und 1960ern hingegen waren lange in Vergessenheit geraten. Seit einigen Jahren steht die Architektur der Nachkriegsmoderne in neuem Licht: Die Diskussion, zu der die Marktgemeinde Lustenau anlässlich der Buchpräsentation "Adelheid Gnaiger 1916-1992. Die erste Architektin Vorarlbergs" geladen hat, weckte das Interesse, genauer hinzusehen und die eigene Wahrnehmung für Bauten der 1950er- und 1960er-Jahre zu schärfen.

"Architekturgeschichte gehört in Vorarlberg noch geschrieben"

Rathaus Architektur Jutta Gnaiger-Rathmanner, Bürgermeister Kurt Fischer und Vizebürgermeister Walter Natter folgten aufmerksam den Ausführungen von Ingrid Holzschuh zur Bedeutung des Lustenauer Rathauses.

Architekturhistorikerin Ingrid Holzschuh, Landeskonservatorin Barbra Keiler und Architekt Erich Steinmayr erläuterten in einem fachlichen Diskurs unter Moderation von Marina Hämmerle, Projektleitung Zentrumsentwicklung, die architektonische und städtebauliche Qualität des Rathauses Lustenau. Das Rathaus Lustenau, mit Haupthaus und Pavillon aus 1958 und dem Erweiterungsbau aus 1996, sei ein positives Beispiel für die Wertschätzung dieses baukulturellen Erbes und den denkmalpflegerischen Umgang mit Bauten der Nachkriegsmoderne. Als eines der wenigen noch erhaltenen öffentlichen Gebäude der Architektengemeinschaft Gnaiger/Götsch/Griss befindet es sich weitestgehend in unveränderten bzw. sensibel adaptierten Zustand. Mit ein Grund, warum das knapp 60 jährige Gebäude, als auch der viel jüngere Erweiterungsbau 2012, denkmalgeschützt wurden.

Gebäude in Ort und Zeit verankert

Das Rathaus sei provokant für seine Zeit und den Ort gewesen, geht aus der Begründung des Bundesdenkmalamtes hervor, andererseits war es ein optimistisches Zeichen für die schnell wachsende Marktgemeinde Lustenau. Bis heute gilt es als moderner, zeitloser Verwaltungsbau mit hoher Funktionalität und Flexibilität. Zur besonderen Ästhetik des Hauses tragen die noch im Originalzustand erhaltenen Bau- und Ausstattungsdetails bei: Fenster, Türen und Beschläge, Uhren, Wandverkleidungen, Bodenbeläge und Beleuchtungen aus den 1950er Jahren lassen bei Nutzern und Besuchern eine besondere Stimmung aufkommen.

"Das Rathaus ist durch und durch richtig und verständlich"

Rathaus Architektur Architekt Erich Steinmayr diskutierte in der Expertenrunde über wertschätzende Sanierung und maßvolle Erweiterung.

Mit dem Erweiterungsbau hat Erich Steinmayr in einer neuen Sprache, mit neuen Materialen und Technologien eine stimmige strukturelle Affinität zum Bestand aus den 1950ern geschaffen. Um die Anforderungen zu erfüllen und u.a. die Hoheitsverwaltung unter einem Dach zu vereinen, hat Steinmayr statt in die Höhe in die Tiefe gebaut. Im Erdgeschoss befindet sich das Tiefbauamt, im ersten Stock sind die Büro des Hochbaus. Die Räume im Untergeschoss werden für Sitzungen genützt und sind durch einen eigens angelegten Garten - die letzte Arbeit des Schweizer Landschaftsarchitekten Dieter Kienast, von Kienast Vogt und Partnern - belichtet. Mittlerweile sind Haupthaus und Pavillon in die Jahre gekommen und eine Sanierung steht an. Besonders die großen Fensterflächen stellen dabei eine Herausforderung dar. Barbara Keiler, die Leiterin des Denkmalamtes, ist optimistisch, dass "mit guten Partnerinnen und Partnern auf allen Ebenen eine behutsame Sanierung im Sinne des Denkmalschutzes gelingen wird."