News Spitzenkoch, Unternehmer und Revolutionär 15. Juli 2020

Der Kantinen-Revoluzzer. So betiteln große Zeitschriften Dietmar Hagen. Heute treffe ich ihn ganz privat in seinem Wohnzimmer, wo er mir bei einer Tasse Verbene-Tee von seinem Leben erzählt. Wie er als Gourmetkoch eine Unternehmung mit mittlerweile 250 Mitarbeitern gründete und warum der Grundstein für seinen Erfolg in Lustenau liegt.
Der Kantinen-Revoluzzer
Dietmar ist mit seiner Familie zu Besuch in Lustenau, wären nicht gerade Ferien, würde er jetzt in seinem Büro in Hannover sitzen. Von dort koordiniert er mit seinen Teams zwei Dutzend Betriebsrestaurants. Mit ESSENSZEIT hat sich der Wahl-Hannoveraner der genussvollen Vollwertküche verschrieben: In 25 verschiedenen ESSENSZEIT-Betriebsküchen werden täglich zwischen 10.000 und 12.000 gesunde, mit i-Tüpfelchen angerichtete Essen frisch zubereitet. Ging es früher in den Kaninen darum satt zu werden, haben Betriebsrestaurants heute eine ganz neue Bedeutung. Dietmar absolvierte die Hotelfachschule in Bludenz und hat in etablierten Gourmetküchen gekocht, wie bei Reinhard Gerer im Wiener Haubenlokal Korso, bis ihm die Position als Küchenchef im Sanatorium Dr. Felbermayer in Gaschurn angeboten wurde. Er sagte zu, nicht ahnend, dass diese Stelle der Schlüssel zu allem Weiteren sein würde. Im Dr. Felbermayer Gesundheitszentrum tauchte der passionierte Koch zum ersten Mal in die Welt des Heilfastens und vollwertigen Bioessens ein. Mit seinem eigenen hohen Anspruch an Genuss und Geschmack, begeisterte er die Gäste, die es sich nicht nehmen ließen, den jungen Koch persönlich kennenzulernen und einen Blick in die Küche zu werfen. «Eine Zeit, in der ich wertvolle und spannende Kontakte geknüpft habe. Während der dreimonatigen Saisonpause war ich auf der ganzen Welt eingeladen, um Mitarbeiter in den Unternehmensküchen zu schulen.» So kam auch das Kochprojekt in einer Behindertenwerkstatt in Dortmund zustande.
Kochen im Knast und in Keksfabriken

Eines Tages streckt Christian Pfeiffer seinen Kopf in die Felbermayer-Küche, stellt sich als Professor am Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen vor und fragt Dietmar, ob er nicht mit jungen Gefangenen kochen will. Er will. Im Gefängnis lernen die jungen Männer über das vollwertige Kochen mit Dietmar ein neues Bewusstsein kennen, einen ganz anderen Zugang zu der Frage «Was tut mir gut?». «Mit dem Projekt «Essen soll nicht Teil der Strafe sein» wird der typischen Machokultur in Gefängnissen entgegengewirkt.» Ein halbes Jahr lang kocht Dietmar hinter schwäbischen Gardinen und gründet zeitgleich seine Beratungsagentur. Bald flattert eine Anfrage von Werner M. Bahlsen ins Haus, Inhaber der vielleicht bekanntesten Keksfabrik unserer Zeit. «Das ist mittlerweile 25 Jahre her, denn so lange arbeiten wir schon zusammen. Damals, muss man sich vorstellen, waren Bioqualität und leichte Küche ein Novum. Unser Konzept brauchte schon immer Unternehmer, die Essen als Teil einer lebendigen Unternehmenskultur verstehen. Essen ist Chefsache, denn das Betriebsrestaurant ist ein Treffpunkt für Kommunikation, ein Ort der Erholung und des gesunden Genusses.» Dafür muss die Umgebung stimmen, notfalls wird umgebaut.
Sinneserlebnis statt Reizüberflutung
Noch immer ist Dietmar ein Vorreiter seiner Branche, der das Thema «Mehr-Wert»-Küche in so ganzheitlicher Form umsetzt. Ein Großteil der Lebensmittel stammt aus kontrolliert biologischem Anbau, keinesfalls, weil es ein Trend ist, sondern weil saisonale, frische Bioprodukte aus der Umgebung geschmacklich einfach die Nase vorne haben. Fertigprodukte haben in diesem Konzept nichts zu suchen. Auf Saucen aus der Packung, Suppenpulver und Co. wird komplett verzichtet. «Dadurch gibt es bei ESSENSZEIT keinen Monogeschmack und die Gäste erleben jeden Tag echte kulinarische Abwechslung. Gesundes Essen muss nie auf Kosten des Genusses gehen. Die Sinne sollen nicht gereizt, sondern angeregt werden, dafür stellen wir die Produktqualität und das Kochhandwerk in den Mittelpunkt unseres Tuns. Wir schicken unsere Köche aufs Feld zu unseren Lieferanten und holen unsere Lieferanten zu uns in die Küche. Es geht ums Vernetzen und ein ganzheitliches Verständnis.» Ein Konzept, das voll aufgeht, denn weder hat ESSENSZEIT je einen Kunden verloren, noch hat Dietmar Akquise oder Marketing betrieben. Das Gesamtkonzept spricht sich rum. Die einen Kunden wollen das eigene Team nach Dietmars Konzept schulen, die anderen möchten in ihrer Kantine ein ESSENSZEIT-Restaurant betreiben lassen. Kein Projekt ist wie das andere, doch gerade das macht den Alltag so spannend. Waren es früher die kulinarischen Kunstwerke auf den Tellern, die Dietmars Kreativität beflügelten, ist es heute die Aufgabe, alles in Bewegung zu halten. Dazu gehören das interne Qualitätsmanagement, die Teamdynamik und die permanente Weiterentwicklung des Unternehmens.
Hochgenuss aus Mamas Küche
Die Konsequenz und Tiefe, mit der Dietmar sein Business führt, kommen nicht von ungefähr. Er blickt aus dem Fenster, zeigt auf das Haus gegenüber, sein Elternhaus. «Bei uns steht gutes und gesundes Essen schon immer im Mittelpunkt. Selbstgemachte Marmeladen statt Nutella und frisch gebackenes Brot aus selbst gemahlenem Dinkel – das ist die Art meiner Mama, Verantwortung für einen gesunden Lebensstil in der Familie zu übernehmen.» Dieses Verantwortungsbewusstsein gegenüber Umwelt und Menschen gibt Dietmar heute seinen Kunden mit auf den Weg. Die Schwanenburg, sein Firmensitz in Hannover, ist gleichzeitig ESSENSZEIT-Akademie für Schulungen und Workshops als auch Restaurant und Veranstaltungszentrum für kulturelle Events und Vorträge. Die Wahrnehmung der Menschen und ihr Bewusstsein für den Zusammenhang von Essen, Wohlbefinden und Umwelt hat sich in den letzten 10 Jahren sehr verändert und das zeigt, dass Dietmar mit seinem Konzept schon vor einem viertel Jahrhundert auf die richtige Fährte gesetzt hat. In diesem Bereich einen konsequenten Qualitätsbegriff klar zu formulieren und Motivation bei seinen Mitarbeitern und Kunden zu schaffen, das ist und bleibt seine Mission. Ein Revolutionär steckt sich schließlich hohe Ziele.