News Rheinnot vor 125 Jahren 8. September 2015

Engel Überschwemmung 1890

Vor 125 Jahren ereignete sich die letzte große Rheinüberschwemmung in Lustenau. Anhand relativ zeitnaher Schilderungen der Ereignisse sollen in diesem Artikel die damaligen und späteren Wahrnehmungen der Rheinnot aufgezeigt werden.

Am 30. August 1890 kam es aufgrund starker Regenfälle im Einzugsbereich des Rheins zu einem Einbruch des Rheindammes in Altach. In der Folge verursachten die gegen Norden flutenden Wassermassen einen Bruch im Seelachendamm. Dadurch wurde Lustenau wie Philipp Krapf 1930 in einem Aufsatz festhält „noch ärger als zwei Jahre zuvor“ überschwemmt.

Bereits diese hier erwähnten Überschwemmungen des Jahres 1888 hatten für Lustenau verheerende Folgen die Eugen Hillman ebenfalls im Jahr 1930 in einer Sonderbeilage zum Vorarlberger Volksblatt wie folgt beschreibt: „Hochauf wirbelte das Schmutzige Wasser in den Straßengraben und immer neue Fluten wälzten sich durch den Damm der Gemeinde zu. Über Nacht verwandelte sich Lustenau in einen See. […] Ja, das waren damals böse Tage.“

Die in der Folge dieser Ereignisse gegründete Wasserwehr, sah sich dann schon zwei Jahre später wieder vor großen Herausforderungen. Bereits zwei Monate vor der nächsten verheerenden Überschwemmungskatastrophe, Ende Juni 1890, hätte der hochwasserführende Rhein in Lustenau beinahe den damaligen Damm überschwemmt und durchbrochen.

Eine Schilderung dieser dramatischen Situation findet sich in „Der Reichshof Lustenau“ von Beno Vetter: „Am Abend riefen die Sturmglocken zur Wehr. Bis tief in die Nacht dauerte der aufregende Kampf an den Dämmen, besonders auf der Strecke zwischen Ober- und Unterfahr. Diesmal blieben die Lustenauer noch siegreich. Aufatmend sah man nach Mitternacht das Sinken des Wasserstandes.“

Diese Beschreibung verdeutlicht eindrücklich die in Lustenau oftmals in den Jahrhunderten vor der Rheinregulation durch den Fluss ausgelösten Ängste und Schrecken und die Bemühungen im „Kampf mit dem Rhein“.

GH Löwen 1988 Kirch- und Reichsstraße beim Gasthaus Löwen nach der Überschwemmung 1988. HistAL, Fotosammlung, Rh 021

Ein von Adolf Bösch editiertes Tagebuch des Lustenauer Lehrers Franz Bösch schildert die unmittelbaren Folgen der Katastrophe von 1890 für die Bevölkerung:

„Bei Tagesanbruch kommen Männer von der Seelache und melden, daß der Rhein etwa in einer Stunde kommen werde. Morgens acht Uhr flutet er durch unsere Hofstatt herein, gewaltsam, fürchterlich, massenhaft Schollen vor sich hertreibend. Mittags 12 Uhr hat er bei uns seine größte Höhe erreicht, 18 cm höher als anno 1888. In der Küche haben wir einen Steg, um über die graue schlammige Flut zum Kochherd zu gelangen.“

Selbst in der Wiener Tageszeitung Neue Freie Presse – die in jenen Tagen auch von schweren Überschwemmungen in Böhmen und Ostösterreich berichtet – findet sich als Reaktion auf das Flutunglück in Vorarlberg ein Spendenaufruf des Vereins der Tiroler und Vorarlberger in Wien:

„In einer traurigen Notlage befinden sich dermalen die Bewohner des vorarlberg’schen Rheinthales. Der Rhein hat seine Ufer durchbrochen und die ganze Gegend, Felder und Dörfer – in einen See verwandelt. […] Die Not ist unsäglich, die Hilfe ungenügend. […] Es gebe Jeder, Groß und Klein. Jede, auch die kleinste Gabe zählt.“

Näheres über die wirtschaftlichen Folgen des Unglücks erfahren wir aus einem im Jahr 1930 in einer Beilage des Vorarlberger Tagblatts erschienenen Artikel von Eduard Alge:

„Der Schaden […] war selbstverständlich ungeheuerlich und betrug viele Millionen Gulden. Die Feldfrüchte waren vernichtet, denn die Äcker waren mit Ausnahme des äußersten Heuriedes und des Streueriedes alle überflutet. Großer Schaden entstand auch namentlich an den alten Häusern mit ebenerdiger Küche und Wohnung. Die Wände dieser alten, 200 – 300 jährigen Häuser trockneten überhaupt nicht mehr. Und es mußten deshalb viele umgebaut werden. […] Die Stickmaschinen waren verhältnismäßig rasch wieder leistungsfähig. […]

1890 sind in der Gemeinde sicher 900 bis 1000 Handstickmaschinen vorhanden gewesen und man konnte da und dort Sticker an der Maschine sehen, während in der Hofstatt noch schmutzige Wassertümpel von der kurz vergangenen Schreckenszeit Zeugnis gaben.“

Bereits zwei Jahre später, im Jahr 1892, wurde zwischen Österreich und der Schweiz der Staatsvertrag zur Regulierung des Alpenrheins abgeschlossenen. Die dadurch ermöglichte massive Umleitung und Verbauung des Flusses – 1900 erfolgte der Fußacher, 1923 der Diepoldsauer Durchstich – verhinderten bis heute weitere große Flutkatastrophen in Lustenau.

Oliver Heinzle, Historisches Archiv Lustenau